News

MIT ALLEN WASSERN GEWASCHEN

Von der Garage der Eltern in Oberösterreich ins Silicon Valley und mit den ersten großen Investments in der Tasche, wieder zurück nach Wien – das Start-up Blue Planet Ecosystems des Gründers Paul Schmitzberger will die Herstellung von tierischem Protein revolutionieren.

 

Die Entscheidung, mit einer PowerPoint-Präsentation und einem “crappy” Prototypen 2018 nach San Francisco zu gehen, war die Geburtsstunde des Start-ups Blue Planet Ecosystems. Heimkehren wollten Schmitzberger und sein Team 2019 nur auf einen Sprung, doch daraus wurde ein längerer Aufenthalt und die Errichtung der Unternehmenszentrale im 23. Bezirk von Wien, denn für die Produktion von Hardwarekomponenten zeigte sich, dass ein zentraleuropäischer Standort wesentliche Vorteile mit sich bringt. Anders sieht es allerdings beim Fundraising aus: „Das was wir machen, liegt in einem speziellen Venture-Capital-Bereich. Wir sind ein Biotech-Start-up, das Hardware industriell produzieren möchte – das sind alles Schlagwörter, bei denen 90 Prozent der VCs aussteigen.”

Das Produkt von Blue Planet Ecosystems vereint Hardware mit KI und Machine Learning sowie einem Dienstleistungsaspekt: LARA, was abgekürzt für Land-based Automated Recirculating Aquaculture Systems steht, ist ein modulares Fischproduktionssystem in Form eines Containers, welcher aus drei Ebenen besteht: In der obersten Ebene eines LARA-Systems werden durch Sonnenlicht Algen gezüchtet, die an Plankton verfüttert werden, welche sich in der darunterliegenden Ebene befinden. In dem letzten Teil leben Fisch- oder Meeresfrüchtepopulationen, die wiederum von dem Plankton darüber ernährt werden. Ein solcher Container hat eine Kapazität von zwei Tonnen an Fischen – und ein Farmingzyklus benötigt je nach Tierart zwischen vier und sechs Monate, wodurch jährlich wiederum vier bis sechs Tonnen Fisch in einem LARA-System produziert werden können.

Das Ziel von LARA ist es, nachhaltig tierisches Protein zu erzeugen. Dies stellt Produzenten in Zukunft, aber auch bereits heute vor große Herausforderungen, denn aufgrund des Klimawandels trocknen Böden aus, die Meere erwärmen sich und sowohl Pflanzen- als auch Tierarten verlieren ihren Lebensraum. Landwirtschaftlich genutzte Flächen, die heute noch bewirtschaftet werden, könnten bereits morgen aufgrund der Erderwärmung nicht mehr fruchtbar sein. Hier setzt Blue Planet Ecosystems an, denn die Container sind aufgrund der Bauweise nicht nur platzschonend, sondern nutzen Sonnenlicht ressourcenorientiert, um tierisches Protein herzustellen. Das sichert die internationale Wertschöpfungskette. “Wir sehen große potenzielle Märkte europaweit vor allem in Spanien, Portugal und Italien”, meint der Gründer und CEO. Momentan wird auch an einem Joint Venture mit Korea, einem der größten Fischmärkte weltweit, gearbeitet, um auch international aufgestellt zu sein.  

Um nachhaltigen Fisch für jedermann bereitstellen zu können, muss auch der Preis ein gewisses Niveau erreichen, weshalb Schmitzberger durch seine Fischfarmsysteme 5 US-$ pro Pfund Meeresfrüchte zukünftig anpeilen möchte. Das wird auch die Investorensuche erleichtern, denn der Markt ist nunmal preisorientiert und nicht jeder Konsument kann alleine durch das Nachhaltigkeitskonzept abgeholt werden. Allerdings wird es laut Schmitzberger in naher Zukunft gar keinen anderen Weg mehr geben, als nachhaltig leistbare Lebensmittel zu produzieren: „Die Frage hierbei ist, ob wir diese Umstellung in einem gewissen Gleitpfad schaffen oder ob es ein katastrophales Ereignis braucht, wo es beispielsweise auf einmal keine Fische mehr in den Ozeanen gibt.”

Die Tierproduktion ist im Gegensatz zu rein veganer Landwirtschaft vor allem in Bezug auf ethische Bedenken negativ konnotiert. Doch da sich auch der Bedarf von tierischem Protein mit der steigenden Weltbevölkerung erhöht, sieht es Schmitzberger als notwendig an, diesen Bedarf zumindest teilweise durch Fleisch und Fisch als Nahrungsmittel zu decken. „Dennoch müssen wir uns bewusst machen, dass wir Fische in einem künstlichen Ökosystem aufziehen, um diese dann zu verzehren und dass die Tierproduktion mit einem moralischen Rucksack ankommt", so der Gründer. Um diesen moralischen Rucksack möglichst leicht zu halten, wird das Tierwohl in LARA-Systemen mit Artificial Intelligence und Machine Learning überwacht, indem beispielsweise Daten wie die Atemfrequenz oder die Hautfarbenveränderung der Fische aufgezeichnet und ausgewertet werden. Der Schlachtungsprozess liegt momentan noch in der Hand der Konsumenten, doch es ist geplant, die Betäubung der Fische als Dienstleistung in das Start-up zu integrieren, da dadurch ein weiterer Prozess standardisiert wäre und somit eine höhere Qualität garantiert werden könnte.

Momentan sind fünf Prototypen von LARA im Einsatz, doch das Ziel des Gründers ist klar definiert: „In den nächsten zwei bis drei Jahren wollen wir jeden Tag ein LARA-System in Betrieb nehmen”, womit sich Blue Planet Ecosystems als wichtiger umweltschonender Fischproduzent in Europa etablieren möchte. Man wagt aber auch, Gedanken in Zukunftsvisionen zu investieren: Die Idee, LARA in SARA (Space-based Automated Recirculating Aquaculture Systems) umzuwandeln, also die Fischfarmingsysteme auch im Weltall zu verwenden, existiert. „Wir sind alle Spacenerds und haben uns das schon einmal genauer mit dem Österreichischen Weltraumforum angeschaut, dennoch liegt noch ein weiter Weg vor uns.” Vorerst will man nicht nach den Sternen greifen und mit beiden Füßen auf der Erde bleiben, denn SARA sei momentan nur eine Vision auf einer PowerPoint-Präsentation. Doch auch das LARA-System hat mit einer Power Point Präsentation und einem “crappy” Prototyp begonnen …

 

Text: Elena Kappel

Forbes Editors

Zurück zur Newsübersicht