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RAUS INS GRÜNE

Julian Trautwein hatte schon erahnt, dass die eigene Idee funktionieren könnte. Wie groß die Nachfrage letztendlich war, hat den Unternehmer dann aber doch überrascht: „Die Leute haben uns mehr oder weniger überrannt – mit dieser Resonanz haben wir anfangs gar nicht gerechnet“, so Trautwein. Die Idee seines Start-ups „Raus“, das Trautwein gemeinsam mit seinen Schulfreunden Christopher Eilers und Johann Ahlers gründete: Menschen wieder in die Natur zu bringen. Das geschieht mithilfe von aktuell 40 „Cabins“, die das Gründerteam an entlegenen Plätzen aufgestellt hat.

 

Das Konzept scheint zu funktionieren, denn neben der Nachfrage der Gäste hat Raus auch prominente Investoren an Bord geholt. Airbnb-Gründer Nathan Blecharczyk, der österreichische VC-Fonds Speedinvest sowie das Münchner Investorenkonsortium 10x Founders gaben dem Start-up bisher insgesamt rund sechs Mio. €. Das Geld braucht Raus, denn Trautwein gibt zu, dass man durchaus investieren muss, um Erfolg zu haben: „Wir sind ein kapitalintensives Geschäft, weil wir natürlich die Häuser produzieren lassen müssen. Deshalb können wir aber auch durch die Vermietung der Unterkünfte frühzeitig profitabel sein, weil man bereits nach dem ersten Tag Einnahmen produziert“, meint Mitgründer Trautwein.

Momentan fokussiert man sich bei Raus mit rund 35 Mitarbeitern auf die Expansion im Heimatland und dem deutschsprachigen Ausland – weshalb auch mit DORDA zusammengearbeitet wird –, doch in den nächsten zwölf bis 24 Monaten wird auch die Erschließung des gesamteuropäischen Marktes forciert. „Unsere Buchungsraten bestätigen für uns, dass das Konzept auch in ganz Europa funktionieren wird“, blickt Trautwein optimistisch in die Zukunft.

Um dem Alltag in der Großstadt entfliehen zu können, stellt Raus seine Cabins an entlegenen Plätzen in Nord- und Ostdeutschland auf. Diese können von Gästen als Urlaubsunterkunft gebucht werden. Die Cabins ähneln einem voll ausgestatteten Boutique-Hotelzimmer mit Küche und Badezimmer – doch dahinter steckt die Technologie eines Smart Homes und ein vollständiges Autarkiesystem: „Wir bauen quasi ein technologisches Backend, sodass man als Gast ein ‚Nature-Frontend‘ hat“, so Trautwein. Die Karriere des Gründers spielt dabei durchaus eine Rolle: Trautwein verbrachte einen langen Zeitraum seiner Karriere bei der Buchungsplattform Airbnb. „Bei Airbnb haben mich immer schon Unterkünfte fasziniert, die einen Aufenthalt nicht als standardisiertes Zimmer verstanden haben, sondern als Erlebnis.“

Die Rückzugsorte in der Natur versorgen sich durch Solaranlagen auf den Dächern selbst mit Strom, unter anderem für die Heizung und den Gasherd. Dennoch lassen sich notwendige Parameter, wie Lufttemperatur und Stand des Wassertanks, jederzeit vom Hauptquartier des Start-ups in Berlin überprüfen und regulieren. Doch ein wesentlicher Unterschied zu einem Smart Home besteht: die Begrenztheit der Ressource Wasser im Tank. Das ist aber keineswegs ein Nachteil der Cabins; ganz im Gegenteil wird dadurch die Natur den Gästen wieder einen Schritt nähergebracht. „In der Stadt sieht man nur auf der Nebenkostenabrechnung am Ende des Jahres, wie viel man verbraucht und was das gekostet hat“, sagt Trautwein. Bewusst hat man auch auf Bildschirme verzichtet, denn in den Cabins „darf man sich auch gerne einmal langweilen“.

Beim Bau der Cabins stand auch die Natur im Vordergrund. Trautwein: „Uns war es extrem wichtig, dass der Natur kein Schaden zugefügt wird.“ Daher sind die Cabins auch auf Rädern gebaut, um Bodenversiegelung zu vermeiden. Die kapitalintensive Konstruktion der Cabins stellte Raus gleich zu Beginn vor große Herausforderungen, denn viele Ingenieure wagten sich nicht an die komplexe Bauweise und die hohen Ansprüche der Gründer. Auch Berater aus der Hotellerie standen der Idee anfangs skeptisch gegenüber, da sie meinten, für ein solches Konzept bestehe schlicht zu wenig Nachfrage. Doch es zeichnet sich ein Trend hinsichtlich Reisen im eigenen Heimatland ab, denn 2021 verbrachten 50 % der Deutschen ihren Urlaub im Inland, was auch Raus zugutekommt.

Neben der klassischen Buchung von Cabins über die Website will Raus die Nachfrage auch anderweitig nutzen. Nachdem sich während des Launchs eine Warteliste mit über 3.500 Personen entwickelte, wurde „über Nacht“ ein Onlineshop erstellt, der heute einen wesentlichen Einkommenskanal darstellt und Produkte wie Gutscheine oder nachhaltige Kleidung anbietet. Zudem baut Raus in gewisser Weise die „Experiences“ von Airbnb nach: Um noch mehr Einblicke in die Landwirtschaft und Natur zu geben, besteht die Möglichkeit, dass Erlebnisse von den Gastgebern angeboten werden; mit im Programm sind etwa Alpakawanderungen oder Pilzesuchen mit Förstern.  

Trotz eines starken Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit ist Raus noch nicht am Ende angekommen: „Natürlich muss man kontinuierlich daran arbeiten, dass man sich möglichst klimaneutral, optimalerweise klimapositiv, verhält“, meint der Gründer auf die Frage, ob es nicht im Widerspruch stehe, dass Gäste meist nur per PKW an entlegene Orte gelangen. Deswegen bietet Raus die Option, das Angebot eines E-Mobilitätsanbieters zu nutzen. Doch Nachhaltigkeit hin und her: „Wir sind natürlich auch ein wirtschaftlich getriebenes Unternehmen“, sagt Trautwein. Wobei er ergänzt: „Aber nicht um jeden Preis.“

Elena Kappel

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